Trendcheck: Empathic Cities

Können Städte fühlen? Nein, aber die Entwicklung zeigt: Städte müssen mehr als nur Infrastruktur bieten. Der Trend „Empathic Cities“ setzt auf soziale Nachhaltigkeit, inklusive Architektur und holistische Lebensqualität.
Im Rahmen des Immobilienmarktberichts von Pflugfelder werfen Marc Steinhoff und Pflugfelder-Neubauleiterin Patrica Pfeiffer einen Blick in die Zukunft der empathischen Städteplanung.
Städte mit Herz und Verstand
Räume und Orte bestimmen unser Leben. Der Mangel an neuem Wohnraum ist bereits heute eine große Herausforderung. Die wachsende Verstädterung birgt ein Ungleichgewicht, denn es leben mehr als 50 % der Menschen in Städten, was sich bis 2050 auf fast 70 % dramatisieren soll. Dazu kommt, dass Immobilien nicht mehr nur Orte zum Schlafen und Essen sind, sondern die Umwelt schonen, wirtschaftlich sein und die individuellen Bedürfnisse erfüllen sollen. Ganz schön viel! „Empathic City“ verbindet die Anforderungen, Städte nicht nur smarter, sondern menschlicher zu machen. Es geht darum, nachhaltige und inklusive Räume zu schaffen, die auf die menschliche Bedürfnisse eingehen. Grüner ja – aber auch sozialer! Marc Steinhoff, vom Stuttgarter Architektenbüro STEINHOFF HAEHNEL Archtiekten, hat neben dem fertiggestellten Bachhof in Kornwestheim bereits einige Neubauprojekte mit Pflugfelder in der Region Ludwigsburg umgesetzt.
„Es geht nicht nur darum, rein zweckmäßige Gebäude oder Städte zu schaffen, sondern Räume, die inspirieren, Verbindungen stärken und Lebensqualität spürbar machen. Dabei ist die Balance entscheidend: Ästhetik, Technologie und Wohlbefinden, Wirtschaftlichkeit und Funktionalität müssen harmonisch ineinandergreifen. Doch oft erleben wir, wie starre Bebauungspläne und überholte Regularien diese Balance behindern. Kreativer Spielraum fehlt, und damit auch die Möglichkeit, Wohnraum resilient und zukunftsfähig zu gestalten. Ich bin der Ansicht, dass Architektur ein dynamischer Prozess sein muss – flexibel, offen für Innovation und anpassungsfähig an die Bedürfnisse der Menschen und die Herausforderungen der Zukunft. Nur so steht der Mensch im Mittelpunkt, nur so funktioniert Emotionalisierung.", Marc Steinhoff.
Diversifizierung durch Individualisierung
„Die Zeit der großen One-Idea-fits-all-Masterpläne bei der Städtebauplanung ist vorbei. Durch die Individualisierung der Lebensmodelle ändern sich auch die Wohnkonzepte. Individuelle Räume sind emotionale Räume, denn Architektur und Städtebau bedeuten immer einen Dialog zwischen Mensch und Raum. Die Anforderungen an ein Zuhause und Wohnquartiere haben sich stark gewandelt. Ein Zuhause ist heute mehr als ein Rückzugsort – es ist Arbeitsplatz, Erholungsraum, sozialer Treffpunkt und Ausdruck individueller Identität. Menschen suchen Wohnräume, die multifunktional sind und Wohnquartiere mit gemischten Nutzungen, kurzen Wegen, grünen Freiräumen und sozialen Treffpunkten. Sicherheit, sowohl physisch als auch sozial, hat ebenfalls an Bedeutung gewonnen. Die Herausforderung besteht darin, all diese Ansprüche im Sinne der Wirtschaftlichkeit zu vereinen. Da stößt man als Architekt tatsächlich an die Grenzen des Machbaren.", betont Marc Steinhoff.
Ein wichtiges Gefühl dabei: Selbstbestimmung. Unsere Wohnkultur passt sich mit inklusiven und generativen Ansätzen an die Gesellschaft an. Sie sollten ein Ort der Begegnung sein, damit die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben gelingen kann. Grundvoraussetzung ist, dass die Räume für alle zugänglich, nutzbar und sicher sind. „Im Besonders das Thema Senioren Wohnen wird ein zukunftsweisendes Thema, das selbstbestimmtes Leben ermöglichen soll. Das gilt auch für die Planung unserer Neubauprojekte. Dabei sind barrierearmes Leben und ergänzende Infrastruktur entscheidende Kriterien.”, Patricia Pfeiffer. „Mich beschäftigt die Frage, wie Architektur helfen kann, Isolation zu vermeiden und Begegnungen zu fördern. Teilhabe beginnt für mich schon in der Planung und der aktiven Mitgestaltung der Bewohner. Ein Innenhof als Treffpunkt, ein Gemeinschaftsgarten zum Austausch, offene Co-Living-Konzepte, die Individualität mit Nachbarschaft verbinden. Ich bin überzeugt, dass die Zukunft in hybriden Wohnmodellen liegt, die nicht nur nachhaltig, ressourcenschonend und wirtschaftlich sind, sondern auch das Miteinander neu denken.”, Marc Steinhoff.
Power of Places
Heutzutage besteht Konsens darüber, dass Gesundheit mit sozioökonomischen, gesellschaftspolitischen wie auch räumlichen Komponenten verbunden ist. Healing Architecture bringt eine Strömung in die Architektur, die die räumliche Umgebung zum Instrument der Gesundheitsprävention macht. „Der Begriff ist mir zu abstrakt. Architektur „heilt“ die Menschen schließlich nicht. Fakt ist jedoch, dass ein nachhaltig geplantes Wohnumfeld zur Gesundheit der Menschen beiträgt. Aspekte wie der ausreichende Zugang zu Tageslicht, Vermeidung von Lärmbelastungen, gute Luftqualität, verträgliches Mikroklima, Begrünung und Möglichkeiten zur sozialen Interaktion sollten grundlegende Prinzipien jeder Planung sein, werden aber vernachlässigt. Ein Fehler mit Konsequenzen. Frustrierende Monostrukturen statt multicodierter Quartiere, Barrieren statt Inklusion, massive Versiegelung statt Begrünung, Isolation statt Gemeinschaft – das muss der Vergangenheit angehören. Hinzu kommt aber auch noch der wichtigste Punkt, der zu einem „gesunden“ Wohnumfeld dazu gehört: Bezahlbarkeit. Denn nur wenn Menschen sich Wohnraum leisten können, können sie ein „Zuhause" für sich finden.", Marc Steinhoff.
Umnutzung statt Nachverdichtung
Im Kontext empathischer Stadtplanung gewinnen Bestandsgebäude zunehmend an Bedeutung gegenüber der oft kontrovers diskutierten Nachverdichtung. Das Angebot gerade in der Region ist sehr facettenreich. Anstatt freie Flächen in dicht bebauten Städten weiter zu versiegeln, bietet die Sanierung oder Umnutzung bestehender Strukturen eine nachhaltige Alternative, die nicht nur ökologische, sondern auch soziale Vorteile belebt. Leerstehende Industriehallen, alte Kasernen oder andere historischen Gewerbebauten können in kreative Wohn- und Gemeinschaftsprojekte verwandelt werden, die Raum für neue Lebenskonzepte schaffen. „Bei den aktuell langen Genehmigungsverfahren im Neubau und den hohen Bau- und Grundstückskosten wird das Thema Bestandsobjekte immer relevanter. Dieser Lösungsansatz bewahrt gewachsene Stadtbilder, reduziert den Ressourcenverbrauch und wird auch als Möglichkeit gesehen, um mit bezahlbaren Immobilien der sinkenden Eigenkapitalquote entgegenzuwirken. Die Wirtschaftlichkeit steht in den politischen Diskussionen über allem und macht unsere regionale Immobilienlandschaft attraktiver. Umnutzung und die Sanierung von Bestand zahlt in vielerlei Dingen auf die Nachhaltigkeit ein.” Patricia Pfeiffer.
„Ein zentraler Faktor für die Zukunft des urbanen Wohnens und die Umnutzung von Bestandsgebäuden ist die Struktur unserer Bebauungspläne. Diese reservieren Kernstädte oft ausschließlich für gewerbliche Nutzung – ein überholtes Modell, das dem Wandel unseres Einkaufsverhaltens nicht mehr entspricht. Zudem wird diese Nutzungstrennung meiner Ansicht nach den Anforderungen moderner, nachhaltiger Städte nicht gerecht. Monokulturen mindern Vitalität, Diversität und Resilienz. Kernstädte müssen Orte werden, in denen Wohnen, Arbeiten, Freizeit und Kultur ineinandergreifen. Dies erfordert eine Reform des Baurechts hin zu flexiblen, gemischten Nutzungen und lebendigen Quartieren. Umnutzung kann hier ein Katalysator sein. Das geht sicherlich nicht überall. Ziel sollte aber dennoch sein, ein integratives Stadtgefüge zu erarbeiten, das urbane Wohnräume wieder mit ins Zentrum rückt.”
Den gesamten Immobilienmarktbericht von Pflugfelder finden Sie hier.